Gewaltfreie Kommunikation am New Work-Arbeitsplatz

April, 2022


„Arbeitest Du überhaupt, oder bist Du nur zum Kaffeepause machen und Schlafen hier?!” begrüßt mich meine Kollegin Laura sichtlich genervt als ich energiegeladen von meinem Napresso zurückkomme. Wenn die wüsste, dass ich hier gerade das Nachmittagstief ausgetrickst habe, denke ich mir. Und überhaupt: musste ich nicht letztens in einem All-Nighter das Pitch-Deck fertig machen, weil Laura mir die Folien mal wieder viel zu spät geschickt hat? Ich rolle mit den Augen und murmel „Immerhin halte ich meine Deadlines ein” als ich mich auf meinen Platz im Meetingraum setze. 

Diese Situation ist so natürlich nicht vorgekommen. Sie zeigt jedoch deutlich auf, dass auf der Arbeit einiges zusammenkommt: Zeitdruck, beruflicher, aber vielleicht auch persönlicher Stress und jede Menge Menschen mit diversen Hintergründen, Erfahrungen und eben auch Bedürfnissen. Bei allen Bemühungen können Konflikte nicht ausbleiben. Das ist an sich auch nicht weiter schlimm. Denn theoretisch haben Konflikte ja das schöne Ziel, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Leider führen wir Konflikte oft (auch unbewusst) gewaltvoll durch die Sprache, die wir verwenden. Denn in Konfliktkommunikation ist nicht nur, was wir sagen entscheidend, sondern auch wie wir es sagen. 

Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg 

Wir kommunizieren in Konflikten falsch! So lautet die Grundannahme der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) nach Marshall B. Rosenberg. Der Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess wurde von dem amerikanischen Psychologen in den 1960ern entwickelt. Rosenberg erforschte, welchen Einfluss Sprache auf Gewalt hat. Seine Schlussfolgerung lautete, dass zwischenmenschliche Konflikte sehr stark von der Sprache geprägt sind, die wir in Auseinandersetzungen verwenden. Diese sei gewaltvoll. Was Rosenberg damit meint ist, dass wir – auch ohne es zu merken – wertend und verurteilend in unserer Wortwahl sind. Im Gegensatz hierzu basiert sein Ansatz der gewaltfreien Kommunikation auf Empathie und Wertschätzung. Zum einen setzt dieser daran an, die eigenen Gefühle und Verhaltensweisen besser zu verstehen. Hierdurch soll ermöglicht werden, die Grundbedürfnisse zu erkennen und zu artikulieren, wenn wir in einem Konflikt kommunizieren. Dies steht im Kontrast zu Strategien, die normalerweise in Konflikten verwendet werden, z.B. Vermeidung (Nicht-Ansprechen) oder Opfer-Täter*in-Zuweisung. Zum anderen geht es auch darum, in einen empathischen Dialog mit der/dem Gegenüber zu gehen. Es geht also gleichermaßen um das Verständnis der eigenen Handlungsmuster, als auch um das Verständnis für die andere Seite. So soll mehr Klarheit in Konflikten entstehen. 

Gewaltfreie Kommunikation (GfK) in vier Schritten 

Gewaltfreie Kommunikation beruht auf der Prämisse, dass Sprache der Schlüssel zu empathischen Auseinandersetzungen ist. Es ist daher von großer Bedeutung aktiv darauf zu achten keine trennende Sprache zu verwenden, sondern auf Augenhöhe zu kommunizieren. Hierarchien sind hier fehl am Platz. Unser*e Gegenüber wird dabei als ganzheitliches Wesen gesehen, mit Gefühlen und Bedürfnissen – und nicht nur in der Funktion, in der sie/er/dey uns gerade begegnet, z.B. eben

als Kolleg*in, Chef*in, – gesehen. Statt Drohungen oder Machtausübungen anderer Art, sollen gemeinsame Lösungen gefunden werden, in welchen alle Bedürfnisse beachtet werden. Rosenberg hat hierfür vier Schritte entwickelt: 

  • Beobachtung: Es geht um die reine Wahrnehmung/Beschreibung, der Situation. Ganz wichtig ist es hierbei Interpretationen zu vermeiden. Was ist gerade passiert?
  • Gefühle: Im Mittelpunkt steht die Beschreibung dessen, was für Emotionen hier hervorgerufen werden. Wie fühlen wir uns deswegen? 
  • Bedürfnis: Aus diesem Gefühl kann dann ein Bedürfnis entnommen werden. Was für ein Bedürfnis steht hinter diesem Gefühl? 
  • Bitte: Am Ende ist das Ziel, eine konkrete Bitte zu formulieren. Dies kann zum Beispiel eine konkrete Handlung sein. Was wünsche ich mir in Zukunft? 

New Work und gewaltfreie Kommunikation (GfK) 

Gerade New Work-Unternehmen zeichnen sich durch Diversität, Flexibilität und Agilität aus. Das bedeutet ganz schön viele verschiedene Menschen bei einem hohen Arbeitstempo. Es treffen Lerchen auf Eulen, Homeoffice-Liebhaber*innen auf Büro-Enthusiast*innen oder auch Digitalisierungsprofis auf Stift-und-Paper-Klassiker*innen. Weil menschliche Zusammenarbeit ein wichtiger Teil der Arbeit ist, achten immer mehr New Work-Unternehmen bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter*innen auf Soft Skills. Es geht um gelungene Kommunikation und ein entspanntes und freundschaftliches Arbeitsklima. Zeitgleich wird immer mehr darauf geachtet, das Büro als Safe Space zu verstehen. Die gewaltfreie Kommunikation und ihr vier Schritte Prinzip gibt eine sehr gelungene Orientierung, wie wir Konflikte – im und außerhalb des Büros – besser führen können. In der Praxis hätte der Dialog von Laura und mir dann vielleicht so ausgesehen: „Ich beobachte, dass Du aus einer Kaffeepause kommst. Ich fühle mich deswegen nicht wertgeschätzt und gestresst, weil ich viel zu tun habe. Ich brauche Deine Expertise im Projekt. Ich wünsche mir, dass wir unsere Pausen besser absprechen.”