Genderqueer und Arbeitswelt: Schafft New Work alte Muster in der Geschlechterzweiteilung ab?

Juni, 2022


Im Pride Month Juni wird Diversität gefeiert. Seit den 1970ern findet jedes Jahr in Gedenken an die Stonewall Riots die Pride Parade, auch bekannt als Christopher Street Day, statt. An vielen Orten der Welt feiern Menschen in dem Straßenumzug LGBTQIA+, protestieren aber auch gleichzeitig für die Rechte dieser Gemeinschaft. LGBTQIA+ ist eine Abkürzung aus dem Englischen, die für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, queer, intersex und asexuelle Personen steht. Mit dem ”Plus“ sollen zudem alle Personen inkludiert werden, die sich in diesen Beschreibungen nicht wiederfinden. Obwohl sich der Diskurs um biologisches und soziales Geschlecht, Geschlechteridentitäten und sexuelle Orientierung in den vergangenen Jahren deutlich geöffnet hat, ist es gerade in der Arbeitswelt noch oft nicht problemlos möglich, die eigene Identität authentisch ausleben zu können. Gerade nicht-binäre Personen erleben in der Arbeitswelt weiterhin ein hohes Maß an Diskriminierung. 

Binär, Nicht-Binär, Geschlecht und Geschlechteridentitäten: ein Überblick 

Wenn wir über Geschlecht sprechen, muss zwischen dem biologischen und dem sozialen Geschlecht unterscheiden werden. Das biologische Geschlecht ist jenes, das uns bei Geburt aufgrund unserer Geschlechtsorgane zugeschrieben wird. Das soziale Geschlecht hingegen bezieht sich auf Geschlechtsrolle und Geschlechtsidentität, die eng mit sozio-kulturellen Erwartungen an das jeweilige Geschlecht verbunden sind. Menschen, die sich mit diesen Zuschreibungen identifizieren, werden als cis-Frauen/Männer bezeichnet. In unserer Gesellschaft ist die Heteronormativität das vorherrschende gesellschaftliche Ordnungsprinzip. Dieses geht von einer binären Geschlechterordnung aus, also der Unterscheidung in zwei Geschlechter: weiblich oder männlich sowie von Heterosexualität als Norm. 

In dieser Differenzierung finden sich allerdings viele Menschen nicht wider! Menschen müssen sich weder mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, noch irgendeiner vorgeschriebenen Geschlechtsidentität entsprechen. Hieran setzt die Bezeichnung „nicht-binär“, synonym auch genderqueer,an. Als nicht-binär wird eine Geschlechtsidentität bezeichnet, die außerhalb der binären Geschlechter liegt, d.h. eine Person, die sich nicht als streng weiblich oder männlich identifiziert. 

In Hinblick daraufentsteht ein mangelndes gesellschaftliches Verständnis für nicht-binäre Menschen. Dies spiegelt sich auch im Arbeitsleben wieder: In einer Studie fanden Wissenschaftler*innen heraus, dass die Hälfte der befragten

Transgender oder nicht-binären Teilnehmer*innen ihre Identität am Arbeitsplatz aus Angst vor Diskriminierung verstecken. Auch im Einstellungsprozess erfahren genderqueere Personen oftmals bereits Diskriminierungen – und werden nicht eingestellt. 

New Work, altes Geschlechterverhältnis? 

Grundsätzlich bezieht sich Diversität am Arbeitsplatz für die möglichst diverse Zusammensetzung von Teams. Dies bezieht sich unter anderem auf Alter, kulturelle Herkunft, körperliche Fähigkeiten, Behinderungen, Religion, biologisches Geschlecht oder auch sexuelle Orientierung. Gerade New Work-Unternehmen positionieren sich als wahre Advokatinnen für Individualität, Diversität und Fairness. New Work hat den Anspruch, gesellschaftlich mitzudenken, sozialverantwortlich zu handeln und die Selbstverwirklichung der/des Einzelnen zu unterstützen. Viele Unternehmen implementieren daher Strategien, um sicherzugehen, dass das Arbeitsumfeld inklusiv ist – gerade auch in Hinblick auf LGBTQ-Mitarbeiter*innen, wie viele Unternehmen gerade zum Pride Month gerne betonen. Während dies ein wichtiger Schritt ist, bleiben jedoch nicht alle Gruppen gleich mitgedacht. So stellen die Out and Equal Workplace Advocates fest, dass nur wenige Unternehmen damit vertraut sind, wie sie das gesamte Spektrum der Geschlechtervielfalt, insbesondere der nicht-binären Geschlechtsidentitäten, in ihre Initiativen einbeziehen können. Hier besteht also noch einiger Aufholbedarf. 

Genderqueer in der New Work-Welt 

Dabei können New Work-Unternehmen mit vielen kleinen Maßnahmen dazu beitragen, dass ihr Arbeitsplatz auch für genderqueere Menschen inklusiv ist. Einige einfach umzusetzende Vorschläge sind: 

  • Geschlechterneutrale Sprache: Über gendergerechte Sprache, also z.B. die Verwendung des Genderstern “*”, sollen alle sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten dargestellt werden. Dies ist wichtig, um nicht-binäre Menschen mitzumeinen, mitzudenken und mitzuschreiben. Dies gilt sowohl in der alltäglichen zwischenmenschlichen Kommunikation als auch in der offiziellen Unternehmenskommunikation. 
  • Pronomen: Bei vielen Unternehmen ist die Nennung der Pronomen wie he / she / they bereits Teil der E-Mail-Signatur. Über die Angabe der eigenen Pronomen kann signalisiert werden, wie eine Person gerne angesprochen werden möchte. Dies ist wichtig, damit keine  Geschlechtszuschreibungen aufgrund des Namens oder Aussehens gemacht werden. 
  • Arbeitskleidung: Durch geschlechtsneutrale Arbeitskleidung - oder eben gar keinen Dresscode - kann auch hier eine falsche Zuschreibung vermieden werden. 
  • Einrichtungen: In Schweden sind die meisten Toiletten geschlechtsneutral, als Zeichen für Offenheit und Gleichheit. Dies können sich New Work-Unternehmen abschauen und all-gender Toiletten, aber auch andere Räumlichkeiten, einführen, die nicht-binäre Menschen inkludieren und willkommen heißen. 

Die aktive Einbindung von nicht-binären Menschen im Arbeitsumfeld ist in vielerlei Hinsicht wichtig. Nur so kann ein Arbeitsort wirklich ein Safe Space sein und ein Zeichen gegen die gesellschaftliche Marginalisierung von nicht-binären gesetzt werden - und das nicht nur zu Anlässen wie dem Pride Month.