Gender Shift und New Work

January, 2023


2022 identifizierte das Zukunftsinstitut 12 Megatrends als große Treiber des Wandels. Das Zukunftsinstitut ist ein Think Tank, das sich der Zukunftsforschung widmet. Megatrends beschreiben Veränderungsdynamiken in der Gesellschaft und sollen, so das Zukunftsinstitut, ein „Modell für den Wandel der Welt” darstellen. Einer dieser Megatrends ist der Gender Shift. Der Trend Gender Shift bezieht sich auf eine grundlegende Veränderung der klassischen Geschlechterrollen in unserer Welt. Er kann als ein Ergebnis jahrzehntelanger feministischer Kämpfe und dem Zeitgeist in der Debatte um das Konstrukt Geschlecht betrachtet werden. Es hat sich ein Verständnis etabliert, das zwischen Sex (dem biologischen Geschlecht) und Gender (dem sozialen Geschlecht und den damit verbundenen Geschlechtsrollen- und identitäten) unterscheidet. Der Gender Shift geht davon aus, dass sich eben jene geschlechterspezifisch zugeschrieben Attribute verändern und etablierte Rollenmuster und Geschlechterstereotype herausgefordert werden. Dies führt laut dem Zukunftsinstitut zu einem „radikalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einer neuen Kultur des Pluralismus”. Der Gender Shift führt dazu, dass sich Identität abseits vom Geschlecht bzw. Gender definiert.

Vier Thesen zum Gender Shift

Das Think Tank hat im Rahmen der Erforschung des Megatrends vier Zukunftsthesen zum Gender Shift aufgestellt:

  1. Geschlechterrollen verlieren ihre soziale Relevanz: Der Trend führt dazu, dass sich traditionelle Familienstrukturen verändern.
  2. Diversität wird zur Normalität: Feminismus wird zum Mainstream, wodurch auch Diversität Aufschwung erfährt und zur Normalität wird.
  3. Gender Awareness wird zum obersten Gebot: Die Gestaltung von geschlechtergerechten und geschlechterübergreifenden Ansätzen wird zunehmend wichtiger. Auch Technologie und Big Data können hierbei eine Rolle spielen. 
  4. Identitäten definieren sich jenseits von Geschlecht: Dies wird viele Lebensbereiche beeinflussen, z.B. auch das Marketing. Das häufig sehr Gender-basierte Marketing könnte dann der Vergangenheit angehören. 

Gender Shift und New Work: wie muss sich die Arbeitswelt anpassen?

New Work geht davon aus, dass sich die Welt in einem ständigen Wandel befindet und dieser Wandel sich auch in unserer Arbeitswelt widerspiegeln muss. Der Gender Shift fordert unsere Arbeitswelt in vielerlei Hinsicht hinaus. Das bedeutet, dass Unternehmen auf diese Veränderungen reagieren müssen und hier die Möglichkeit haben, Pionier*innen zu sein. Diese Maßnahmen können Unternehmen treffen: 

  • Arbeitsumgebungen neu denken: Wenn sich die klassischen Geschlechterrollen verändern, dann heißt dies auch, dass auch die “klassische” Berufsauswahl anders aussehen könnte. Viele Berufe sind traditionell männlich oder weiblich besetzt und dies spiegelt sich auch in der Gestaltung des physischen Arbeitsplatzes wider.  Marlene Pichler von Rosenbauer nennt hierfür die Feuerwehr als Beispiel. Die Ergonomie der Fahrzeuge als auch des Equipments orientieren sich ganz klar an dem biologischen männlichen Geschlecht und den körperlichen Attributen, die hiermit verbunden sind. Arbeitsumgebungen müssen in der Zukunft geschlechtsneutral geplant werden. 
  • Unternehmenskultur transformieren: Unternehmen sollen durch ihre Unternehmenskultur eine Umgebung schaffen, die das Individuum fördert. Dies wird durch den Gender Shift noch wichtiger. Diversity Management, flexible Arbeitsmodelle, oder auch die Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf in diversen Familienmodellen werden bzw. müssen an Bedeutung gewinnen. 
  • Den Gender Pay Gap bereinigen: Der Gender Pay Gap beschreibt den Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst zwischen Männern und Frauen. 2020 lag dieser bei rund 18 %: Männer verdienen im Durchschnitt 18 % mehr als Frauen. Dies liegt auch an strukturellen Aspekten wie traditionelle Unterschiede im Beruf, Beschäftigungszeitrahmen, oder auch, dass Frauen bislang seltener in Führungspositionen sind.  Diese strukturellen Aspekte könnten dank des Gender Shifts bald der Vergangenheit angehören. Bis dahin müssen Unternehmen diese Ungleichheit in der Bezahlung aktiv herausfordern. 
  • Genderneutrale Kommunikation in allen Bereichen: Über Sprache werden soziale Realitäten konstruiert, aber auch herausgefordert. Genderneutrale Kommunikation ist in der internen und externen Kommunikation daher äußerst wichtig. Dies fängt bereits in der Stellenausschreibung an. Denn oftmals führt die Wortwahl in Stellenausschreibungen dazu, dass Leser*innen den Eindruck haben, dass ein bestimmtes Geschlecht passender für die Rolle wäre. Dies beeinflusst dann natürlich, wer sich angesprochen, aber auch qualifiziert fühlt und sich bewirbt. Durch genderneutrale Kommunikation kann ein Genderbias verringert werden. Dies gilt auch für Werbung und Marketing. 

Der Megatrend Gender Shift bedeutet nicht, dass Geschlecht und/oder Gender plötzlich egal sind: Vielmehr geht er davon aus, dass das Geschlecht „seine schicksalhafte Bedeutung” verliert und stattdessen das Individuum - abseits von Geschlecht und Gender -  und ihre/seine Identität an vorderste Stelle tritt.